Dokument-Nr. 17450
Sinnigen OP, Ansgar (Taufname: Arnold) an Pacelli, Eugenio
Berlin, 12. Juli 1929

Ew. Excellenz!
Auf Grund der Unterredung mit dem hochwürdigen P. Gehrmann richtete ich im Mai eine Rundfrage an die H. H. Superioren der deutschen missionierenden Orden, ob es ihnen möglich sei für Berlin und andere Universitätsstädte, in denen sich junge Leute aus China aufhalten, geeignete Patres zu bestellen, die sich derselben annehmen könnten, damit in Deutschland ein ähnliches Werk gebildet werde, wie es in Verfolg der Arbeiten des H. H. P. Legge CM bereits seit einigen Jahren in Frankreich und Belgien besteht.
Ich wies dabei hin auf den diesbezüglichen Wunsch der Propaganda und auf das Interesse, des Ew. Excellenz persönlich für diese Angelegenheit hätten, sowie auf den Umstand, dass es für den Bestand und die Entwicklung des Christentums in China von grosser Bedeutung sei, dass die jungen Chinesen, die sich in Deutschland höhere Bildung und europäische Kultur aneignen wollen auch mit dem Katholizismus und speziell mit dem katholischen Leben in Deutschland bekannt gemacht würden, zumal dieselben später in ihrem Vaterlande meist in führende Stellungen kommen würden. -
Diese Gedanken habe ich auch auf der Superiorenkonferenz am 30. April ds. Js. in Würzburg vorgetragen, wie schon früher auf mehreren Konferenzen.
Die Schwierigkeit der Aufgabe, die ganz besondere Forderungen an den Priester stellt, sowie die grossen Sorgen, in denen die meisten Ordensobern z. Zt. verkehren, Mangel an Personal für die stark gesteigerten Arbeitsansprüche, Sorge wegen der finanziellen Lage ihrer Häuser u. a. mögen die Ursache sein, warum die Chinesenangelegenheit bisher noch nicht tatkräftig aufgegriffen worden ist. Das klingt auch aus den Antworten heraus, die auf meine Rundfragen eingelaufen sind. Die meisten H. H. Superioren schreiben, sie seien z. Zt. nicht in der Lage, einen Pater für die Aufgabe frei zu machen; dabei nehmen sie gewöhnlich an, dass ein solcher mit der Sprache oder doch wenigstens mit Land und Leuten in China bekannt sein müsste.
968r
Mehrere Orden jedoch sind bereit, an dem Werke direkt mitzuarbeiten.
1.P. Provinzial Ignatius Rupert O. M. Cap. in Ehrenbreitstein schreibt, er werde sich sehr gerne an der Betreuung der in Deutschland studierenden Chinesen beteiligen. Deshalb habe er je einen Pater in Münster und Frankfurt a. M. beauftragt, die an den dortigen Universitäten studierenden Chinesen aufzusuchen. Die Patres könnten sich dann mit den Herren, die in anderen Städten ähnlich arbeiten ins Benehmen setzen.
2.P. Provinzial Jacobi O. F. M. Fulda hat einen Pater für Japan ausbilden lassen; derselbe promoviert demnächst. Aber für China sei noch keiner zur Verfügung, doch wolle er bei der Wichtigkeit dieser Angelegenheit dahin wirken, dass ein Pater seiner Provinz auch dafür vorgebildet werde.
3. Von den Redemptoristen, die sich in Berlin niederlassen, wurde auf einen Laien, der sich in der Männerkongregation nützlich macht, als vielleicht geeigneten Mitarbeiter hingewiesen.
4.P. Provinzial H. Beckers O. S. Cam. stellt den in Berlin im St. Katharinenstift, Greifswalderstrasse tätigen P. Hoffmann zur Verfügung, soweit die Arbeit nebenamtlich geleistet werden kann.
5.P. Provinzial Bausch C. M. Köln bietet sich an, einen seiner Patres für diese Aufgabe eigens nach Berlin zu schicken. Derselbe kann, wie ich festgestellt habe, im St. Elisabethstift, Waldstrasse 52 als Hausgeistlicher nebenamtlich tätig sein.
6. In München bemüht sich schon seit Jahren Herr Prof. Dr. Aufhauser mit den Ostasiatischen Studenten daselbst Fühlung zu halten und er hat mir schon früher gesagt und auch kürzlich wieder geschrieben, dass er sich auch fernerhin gern dieser Aufgabe widmen wolle.
Eine zweite Frage der Propaganda ging dahin, die Zahl der in Deutschland studierenden Chinesen festzustellen und die Städte in denen sie wohnen.
Anlässlich des Besuches der in Belgien organisierten Chinesen in Aachen im März ds. Js. sagte der chinesische Redner, dass 800 Chinesen in Deutschland studierten.
Die amtliche Liste des Auswärtigen Amtes enthält nur 98 immatrikulierte chinesische Studenten, darunter 5 Damen. Herr Prof. Dr. Berg, Aachen hat auf Grund des Akademischen Nachrichtendienstes ein Verzeichnis von 155 chinesischen immatrikulierten Studenten in ganz Deutschland aufgestellt. Dasselbe liegt hier bei.
Viele junge Chinesen mögen noch in technischen Betrieben, Fabriken, Werkstätten oder als Kaufleute tätig sein, die nicht so leicht statistisch zu erfassen sind; sodass die wirkliche Zahl der in Deutschland lebenden Chinesen wohl grösser ist als die oben angegebene.
969r
Prof. Dr. Berg, der sich schon längere Zeit intensiv mit der Frage beschäftigt, hat seine Erfahrungen und seine Ansicht über die faktische Durchführung der Arbeit in dem längeren Memorandum niedergelegt, das Ew. Excellenz von ihm bekommen haben. Ich hatte zudem Gelegenheit mit ihm einen Besuch im Chinesenheim in Gemmenich-Belgien zu machen und war da Zeuge, wie sehr Prof. Berg es verstanden hat, sich das Zutrauen der dort lebenden 25 jungen Chinesen, die er öfter besucht, zu gewinnen. Sodass ich wohl annehmen möchte, Prof. Berg dürfte bei Einrichtung der geplanten Organisation ein sehr geeigneter und nützlicher Ratgeber – wenn nicht selbst Leiter - sein.
Mit dem Ausdruck ehrfurchtvollster Hochachtung Ew. Excellenz
in Christo ergebenster
P. Ansgar Sinnigen OP
970r
Verzeichnis der im Wintersemester 1928/29 auf deutschen Hochschulen studierenden Chinesen
A. Universitäten:
I. Preussen:
Berlin 44; Bonn I; Breslau 2; Frankfurt I; Göttingen 3; Greifswald I; Halle I; Kiel 4; Köln I zus. 56
II. Im übrigen Deutschland:
Erlangen I; München 6; Leipzig 6; Tübingen 4; Freiburg I; Jena 7; Giessen I; Hamburg 2; Rostock 3 zus. 31
B. Technische Hochschulen:
I. Preussen:
Berlin 22; Hannover 12; Breslau 3; Aachen 2 39
II. Im übrigen Deutschland:
München 9; Dresden 2; Stuttgart I; Karlsruhe I; Darmstadt I2; Braunschweig I 26
C. Andere Hochschulen:
I. Forstliche Hochschule in Tarandt/Sachsen I
II. Bergakademie in Freiberg/Sachsen I
III. Handelshochschule in Königsberg I
Insgesamt I55.
Empfohlene Zitierweise
Sinnigen OP, Ansgar (Taufname: Arnold) an Pacelli, Eugenio vom 12. Juli 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 17450, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/17450. Letzter Zugriff am: 12.12.2024.
Online seit 20.01.2020.