Dokument-Nr. 17974
Korn, Jakob Karl an Bayerisches Staatsministerium des Äußern
München, 23. Mai 1926

Abschrift
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An der Universität Würzburg ist eine Professur für Geschichte im Sinne des Art. 4§ 2 des Konkordates erledigt. Das Staatsministerium für Unterricht u. Kultus beabsichtigt, sie dem Privatdozenten und a.o. Professor an der Universität München Dr. Maximilian Buchner zu verleihen. Der hiervon vereinbarungsgemäß verständigte Herr Bischof von Würzburg hat daraufhin gegen den Kandidaten hinsichtlich seines katholisch-kirchlichen Standpunktes auf Grund des angeführten Art. 4 § 2 Erinnerungen erhoben, ohne sie eigentlich näher zu begründen. Aus diesem Anlasse beehre ich mich folgende Ausführungen zu übermitteln:
I.  Art. 4 § 2 des neuen Konkordates lautet: "An den philosophischen Fakultäten der beiden Universitäten München und Würzburg soll wenigstens je ein Professor der Philosophie und der Geschichte angestellt werden, gegen den hinsichtlich seines katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist".
Art. 4 § 2 des römischen Entwurfes vom September 1922 hatte für den Relativsatz eine andere Fassung vorgesehen, nämlich: "der nach dem Urteile des Diözesanbischofes auf katolisch [sic] kirchlichem Standpunkte steht".
Aus der Beratung über den römischen Entwurf im Staatsministerium des Äussern Dezember 1922 war diese Fassung allerdings unverändert hervorgegangen. Bei ihrer wiederholten Besprechung im Staatsministerium für Unterricht und Kultus ergaben sich jedoch Bedenken, die zunächst wenigstens zum Vorschlage der nachstehenden Fassung des Relativsatzes führten: "gegen den hinsichtlich seines katholisch-kirchlichen Standpunktes von dem Diözesanbischof keine Erinnerung erhoben wird". Dieser Vorschlag fand auch bei der unter Teilnahme des Herrn Apostolischen Nuntius im Staatsministerium des Äussern gepflogenen Beratung Januar 1923 auch Annahme. Da jedoch auch diese Fassung dem Unterschiede der Weltanschauungsprofessuren von den Lehrstühlen usw. des Art. 3 § 1 des Konkordates noch nicht genügend gerecht wurde, sah sich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zur Anregung einer nochmaligen Änderung (in der Richtung einer neutralen Fassung) durch Ausschaltung der Worte "vom Diözesanbischof" und Ersetzung der Worte "erhoben wird" durch "zu erheben ist" gezwungen. Ungeachtet der äussern Bedenken gegen eine so rasch folgende weitere und wesentliche Änderung wurde in Würzburg Würdigung der dafür geltend gemachten Gründe die Anregung in der Sitzung vom 2. März 1923 von den nächstbeteiligten Staatsministern und den beigezogenen Abgeordneten genehmigt. Dem Schreiben des Staatsministers für Unterricht und Kultus vom 6. März 1923 Nr. 5691, das den endgültigen als Januar-Gegenentwurf bezeichneten Gegenentwurf der Bayrischen Regierung an die Apostolische Nuntiatur München übermittelte, wurde eine ausführliche, in der Sitzung vom 2.III.23 gebilligte Begründung beigegeben und gleichzeitig das Anerbieten gemacht, bei der Ratifikation des Vertrages schriftlich zu erklären, daß die Staatsregierung in den bezeichneten Fällen des Art. 4 § 2 "jeweils das Gutachten des zuständigen Bischofs einholen werde"(also nicht ein "Urteil" im Sinne des Entwurfes vom September 1922 und nicht eine ohne weiteres maßgebende "Erinnerung" im Sinne des Art. 3 § 1).
Die beigegebene Begründung lautet:
"Der römische Entwurf schließt mit dem Relativsatze 'der nach dem Urteile des Diözesanbischofs auf katholisch-kirchlichem Standpunkte steht'. Der bayrische Gegenentwurf sah für diesen Relativsatz folgende Fassung vor: gegen den hinsichtlich seines kath-kirchl. Standpunktes vom Diözesanbischof keine Erinnerung erhoben wird".
Auch gegen diese Fassung sind der Bayr. Staatsregierung nachträglich Bedenken aufgestiegen, die wesentlich taktischer Bedeutung sind und aus dem Munde Wunsche hervorgehen, den Konkordatsentwurf ungefährdet durch den Landtag hindurchzubrigen [sic].
Bei der zuletzt (nämlich bei der Beratung im Jan. 1923) von der Staatsregierung vorgeschlagenen Fassung würden nämlich die hier in Frage stehenden Lehrstühle durch die förmliche vertragsmäßige Zusicherung der Mitwirkung der Diözesanbischöfe bei der Besetzung den Lehrstühlen der katholisch-theolog.
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Fakultät (s. Art. 3) fast gleichgestellt. Die seinerzeitigen Landtagverhandlungen bezielten allerdings die Schaffung von allgemeinen Lehrstühlen für Philosophie und Geschichte zur Vertretung der kath. Weltanschauung. Eine förmliche Mitwirkung der Diözesanbischöfe bei ihrer Besetzung war aber damit nicht beabsichtigt und hat auch bei den seitherigen Besetzungen nicht stattgefunden. Die vertragsmäßige Zusicherung einer solchen Mitwirkung seitens einer ausserhalb der Universität und der Staatsregierung stehenden Person bei der Auswahl der Bewerber würde die Schwierigkeiten, die die Staatsregierung schon bei der in Art. 3 beabsichtigten gesetzlichen Regelung im Landtage zu überwinden haben wird, noch erheblich vermehren. Es wäre zu erwarten, daß nicht nur die zunächst beteiligten Universitätskreise, sondern die gesamte deutsche Hochschullehrerschaft und die breiteste Öffentlichkeit gegen die Staatsregierung Stellung nehmen und diese Opposition auch im Landtag aufgenommen würde. Es wird daher vorgeschlagen, den Art. 4 § 2 des Gegenentwurfes so zu fassen: "gegen den hinsichtlich seines kath. kirchl. Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist". Die Staatsregierung wäre bereit, bei der Rativikation [sic] des Vertrages die schriftliche Erklärung abzugeben, daß sie in den bezeichneten Fällen das Gutachten des zuständigen Bischofs einholen werde".
Die Note der Apost. Nuntiatur vom 16. Juni 1923 Nr. 27728 erklärte das Einverständnis des anderen Vertragsteiles mit dieser Fassung und dem angefügten Vorschlag einer schriftlichen Erklärung, die auch inhaltlich der (andere Punkte mitregelnden) Note des Ministerium [sic] des Äussern vom 29. März 1924 Nr. 8808 – mithin am Tage der Unterzeichnung des Vertrages – an den Apostol. Nuntius in München abgegeben wurde.
Wie die Natur der in Art. 3 § 1 und der in Art. 4 § 2 genannten Stellen, so ist also auch die vertragsrechtliche Vereinbarung hinsichtlich der beiden Gruppen verschieden.
Die in Art. 3 § 1 genannten Stellen der Professoren und Dozenten an den kath. theolog. Fakultäten der Universitäten München und Würzburg sind ausschließlich, jene an den philosophisch-theolog. Hochschulen, sind, wenn auch nicht satzungsmäßig, so doch tatsächlich überwiegend für die Heranbildung des Nachwuchses an kath. Geistlichen, und die der haupt- und nebenamtlichen Religionslehrer an den höheren Lehranstalten sind ausschließlich für den Unterricht in den Lehren der kath.  Kirche bestimmt. In Anerkennung und Würdigung dieser Bestimmung und dieses Zweckes der genannten Stellen haben die beiden Vertragsteile im Konkordate selbst vereinbart, daß eine staatlicherseits in Aussicht genommene Person auf eine dieser Stellen erst dann berufen oder ernannt werden darf, wenn gegen sie "vom zuständigen Diözesanbischof keine Erinnerung erhoben ist". Die Tatsache, daß eine solche Erinnerung vorliegt, schließt den Kandidaten aus. Der Diözesanbischof kann der Staatsregierung die seine Erinnerung rechtfertigten [sic] Gründe mitteilen; konkordatsmäßig verpflichtet ist er dazu nicht. Es darf als in der Absicht der beiden Vertragsteile gelegen erachtet werden, dass in diesen Fällen die Erinnerung des zuständigen Diözesanbischofs praktisch einem Veto gleichkommt.
Die in Art. 4 § 2 genannten Stellen sind dagegen Stellen der phlilos- [sic] Fakultät der betreffenden Hochschule. Sie sind nicht etwa – auch nicht einmal hauptsächlich – für die Studierenden der kath. theol.  Fakultät derselben Hochschule bestimmt, vielmehr gleichmäßig und ohne Unterschied des Bekenntnisses für alle Studierenden der betreffenden Hochschule, die Philosophie oder Geschichte vom Standpunkt der kath. Weltanschauung aus hören wollen; daß diese Stellen seinerzeit von kath. Seite gefordert und für kath. Belange vom Landtage bewilligt wurden, sowie daß diese Vorlesungen überwiegend von kath. Studierenden besucht werden, ändert an der allgemeinen Eigenschaft dieser Stellen nichts.
In Würdigung dieser Rechts- und Sachlage haben die Vertragsteile die endgültige Fassung des Art. 4 § 2 vereinbart, jedoch ausservertraglich das jeweilig gutachtliche Gehör des zuständigen Diözesanbischofs vorgesehen. Die Einigung ging also dahin, daß eine kirchl. Beteiligung bei der Besetzung einer solchen Stelle innerhalb des Konkordates nicht, vielmehr nur ausserhalb dieses Vertrages verabredet wurde und weiter, daß für diese Beteiligung der Kirche nicht die Form des Gutachtens gelten soll.1
Diese Vereinbarung wird die Auslegung rechtfertigen, daß ein Diözesanbischof, der sich in einem Falle des Art. 4 § 2 auf die "Erhebung von Erinnerungen" gegen den staatlichen Kandidaten beschränken und eine nähere nachprüfbare Erörterung seiner Erinnerung unterlassen will, den Absichten der beiden Vertragsteile nicht gerecht wird. Denn er benimmt dadurch der Staatsregierung die Möglichkeit der Bildung eines eigenen Urteils darüber, ob gegen den Kandidaten vom kath. kirchl. Standpunkte aus begründete und2
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daher von ihr vertragsmäßig zu beachtende Erinnerungen bestehen.
Im Gegensatz zu Art. 3 § 1 schließt in den Fällen des Art. 4 § 2 die Stellungnahme des Diözesanbischofs einen Kandidaten noch nicht von der Berufung aus, vielmehr erst die staatliche Entscheidung, die nach eigener Würdigung und Beurteilung der Umstände mit dem Diözesanbischof zu dem Ergebnisse gelangt, daß Erinnerungen gegen den Kandidaten vom kirchl. kath. Standpunkte zu erheben sind.
II. Dr. Maximilian Buchner, ein Schüler des erst vor wenigen Jahren verstorbenen bekannten Historikers, Geheimrates Dr.  von Grauert, ist aus einer Hochschulbetätigung dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus nach allen Richtungen wohlbekannt. Über seinen kath. kirchl. Standpunkt hält das Ministerium nach seiner Kenntnis und nach dem Urteile kompetenter Personen in München Zweifel 3 für ausgeschlossen. Geheimrat Universitätsprofessor Dr. Döberl hat sich gegenüber dem Ministerium zur Kandidatur Dr. Buchner's folgendermassen geäussert: Dr. Buchner sei bei den Professoren der Universität angesehen, bei den Studierenden beliebt und seine Seminarübungen seien in den letzten Jahren stets von 80-100 Studierenden besucht gewesen. Seine bisherigen Erfolge und seine umfangreiche literarische und wissenschaftliche Betätigung gäben ihm einen entschiedenen Vorrang vor seinen Konkurrenten. Würde Dr. Buchner bei dieser Gelegenheit ungeachtet seiner 15jährigen akademischen Laufbahn übergangen, so käme eine solche Behandlung einer Disqualifizierung gleich und es dürfte dann wohl als ausgeschlossen zu erachten sein, daß er später noch eine Hochschulprofessur erlangen würde.
Dr. Buchner hat vor einigen Jahren auch die Schriftleitung der "Gelben Hefte, historische und politische Zeitschrift für das kath. Deutschland" übernommen. Bischof Dr.  von Henle in Regensburg hat über seine Betätigung nach dieser Richtung sich geäussert, wie aus dem abschriftlich anliegenden Empfehlungschreiben vom 26. Januar lfd. Jhs. ersichtlich ist.
Auf die ministerielle Bekanntgabe, daß die Verleihung des Lehrstuhles an Dr. M.  Buchner beabsichtigt sei, hat der Herr Bischof von Würzburg unter 3. vor. Mts. die als Abdruck anliegende Antwort erteilt.
Herr Staatsminister Dr. Matt hat trotz seines leidenden Zustandes mit ausführlichem Schreiben vom 13. vor. Mts. versucht, ihn umzustimmen. Auszug aus diesem Schreiben ist zur gefälligen Kenntnisnahme beigegeben.
Die Antwort des Herrn Bischofs vom 5.ds.Mts. auf dieses Ministerschreiben ist nunmehr eingetroffen. Aus dem mitfolgenden Auszuge wolle ersehen werden, daß er seinen Startpunkt [sic] vom 3. vor. Mts. nicht aufgegeben hat.
III. Nach Auffassung des Ministeriums legt der Herr Bischof einmal den Art. 4 § 2 irrig aus, indem er den Unterschied der Fassungen in Art. 4 § 2 verkennt. Sodann ist das Ministerium der Überzeugung, daß der Herr Bischof im Falle richtiger Auslegung seinen Standpunkt nicht stich-haltig begründen könnte.
Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus muß und zwar spätestens ab 1. Okt. lfd. Jhs. die erledigte Stelle neu besetzen. Eine längere Verzögerung ist nicht vertretbar, weil sonst die Ausbildung der Studierenden der Geschichte an der Universität Würzburg Not leiden würde.
Es erhebt sich daher die Frage, welcher mögliche Weg sich als der zweckmäßigste empfiehlt, um eine weitere Verzögerung in der Besetzung zu vermeiden und gleichzeitig dem Konkordate gerecht zu werden.
Ein nochmaliger Briefwechsel mit dem Herrn Bischof über diesen Fall kann wohl nicht in Betracht kommen.
Ein zweiter möglicher Weg wäre die Schaffung einer vollendeten Tatsache durch sofortige Besetzung der erledigten Professur mit Dr. Buchner unter gleichzeitiger Verständigung des Herrn Bischofes, daß seinen beiden Schreiben eine hinreichende Begründung nicht habe entnommen werden können, um von der beabsichtigten Berufung abzusehen. Das Ministerium könnte ein solches Verfahren damit rechtfertigen, daß der Herr Bischof am Schlusse seines Schreibens vom 3. vor. Mts. die Integrität des persönlich kath. kirchl. Standpunktes des Kandidaten zugibt und damit eigentlich das, worauf es hier ankommt.
Würde das Ministerium die freie Stelle jetzt sofort an Dr. Buchner verleihen, so würde der Herr Bischof sich zwar kaum entschließen, seinen Klerikern den Besuch der Vorlesungen eines Professors zu untersagen, der an der Universität München seitens des zuständigen Erzbischofes noch nie beanstandet wurde; wohl aber würde, ja müßte der Herr Bischof vom Standpunkte seiner Auslegung des Art. 4 § 2 an den Hl. Stuhl berichten und dieser könnte als-dann mindestens vertreten, daß es vorzuziehen gewesen wäre, wenn die Bay.  Staatsregierung sich mit ihm wegen der von ihrer Auffassung abweichenden bischöflichen Auslegung ins Benehmen gesetzt hätte, anstatt einseitig eine vollendete Tatsache zu schaffen.
Dem Bestreben nach Wahrung vollster Loyalität bei der Handhabung der Vertragsbestimmungen möchte ein dritter Weg am ersten entsprechen, nämlich sofortiges Benehmen der Bayrischen Staatsregierung mit dem Hl. Stuhle
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einmal über die Auslegung des Art. 4 § 2 überhaupt und sodann über den Fall Dr. Buchner im besonderen.
Die Fälle der Anwendung des Art. 4 § 2 kehren wieder; es wird also für die Zukunft unter den beiden Vertragsteilen eine einheitliche Auslegung des genannt- Art. 4 § 2, besonders auch bezüglich der Pflichten der Diözesanbischöfe gegenüber der Staatsregierung, und eine einheitliche Belehrung der beteiligten Bischöfe darüber durch die Päpstliche Regierung herbeizuführen sein zur Vermeidung wiederholter Irrungen über die grundsätzliche Frage im allgemeinen.
Sodann muß auch der Fall des Dr. Buchner erledigt werden. Der gegenwärtige Ausfall der Vorlesungen schädigt, wie erwähnt, den Ausbildungsgang der beteiligten Studierenden und benachteiligt bei längerer Dauer nicht nur den Ruf der Universität, sondern auch das Ansehen des für den erledigten Stuhl Lehrstuhl in Aussicht genommenen Kandidaten. Aus diesen Gründen kann die Wiederbesetzung der erledigten Professur über den 1. Okt. hinaus nicht verschoben werden. Das Ministerium muß daher Gewicht darauf legen, ehestens eine genügende substanzierte Äusserung (Gutachten) des kirchlichen Vertragteiles im Sinne der Vereinbarung zu Art. 4 § 2 zu erhalten, um im Zusammenhalte des Ergebnisses der bisherigen eigenen Ermittelung mit dieser kirchlichen Darlegung die Rechts- und Sachlage würdigen und darnach die Entscheidung hinsichtlich seines Kandidaten treffen zu können. Das Ministerium hält es hierbei für wünschenswert, zu erreichen, daß der Hl. Stuhl selbst sogleich diese materielle Äusserung zur Kandidatur des Dr. Buchner abgibt und nicht etwa den Herrn Bischof von Würzburg dazu anweist.
Die Angelegenheit bedarf ernstester Behandlung.
Für die Inaussichtnahme des Dr. Buchner als Nachfolger des Geheimrates Dr.  Henner waren rein sachliche Motive maßgebend, die Herr Staatsminister Dr. Matt in seinem Schreiben vom 13. vor .Mts. eingehend und rückhaltlos dargelegt hat.
Das Ministerium will nicht in Zweifel ziehen, daß auch der Herr Bischof von Würzburg bei seiner bisherigen Stellungnahme sachlichen Motiven zu folgen glaubte. Allein es darf und muß darauf hingewiesen werden, daß die Frage der Kandidatur Dr. Buchners – wie sie vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus aufgefasst wurde – von Anfang an aber auch jedes politischen Charakters entbehrte, daß sie jedoch durch das Verhalten des Herrn Bischofs und durch die Gerüchte, die von Würzburg aus darüber weiter getragen wurden, jetzt einen solchen und zwar nicht zu unterschätzenden politischen Charakter erhalten hat.
Dr. Buchner gehört nach seiner politischen Richtung der Deutsch-nationalen Volkspartei an und ist innerhalb dieser Partei Führer ihrer kath. Gruppe.
Die Deutschnationale Volkspartei bildet ein Glied der gegenwärtigen Koalition im Bayr. Landtage. Ohne die Koalation [sic], mithin ohne Mitwirkung der genannten Partei – zu deren Gruppe innerhalb der Koalation auch die Deutsche Volkspartei der Pfalz und die Nationalliberale Landespartei gehören – wäre das Konkordat nicht zustande gekommen.
Obschon solche Personalfragen möglichst geheim gehalten werden sollen, hat, wie dem Ministerium wieder mitgeteilt wurde, gleichwohl Dr.  Buchner von der Stellungnahme des Diözesanbischofs von Würzburg vom 3. vor. Mts. Kenntnis erhalten. Erklärlicherweise hatte u. a. auch die Deutschnationale Volkspartei von der Stellungnahme des Bischofs vom 3. vor. Mts. Nachricht bekommen, und ihr Vorsitzender, Herr Abgeordneter Dr. Hilpert, hat daraufhin mich als Vertreter des abwesenden Herrn Ministers aufgesucht, um mir förmlich zu erklären daß, wenn die Angelegenheit nicht eine für Dr.  Buchner günstige Erledigung fände, die Partei die Sache nicht beruhen lassen, sie vielmehr im Landtage zur Erörterung bringen würde.
Es ist zweckmäßig, sich die Möglichkeiten klar zu machen, wie die Dinge nach der politischen Seite sich entwickeln können. Die Partei könnte die Frage der Besetzung der erledigten Geschichtsprofessur an den Landtag bringen, sei es wegen einer ungebührlichen Verzögerung der Entscheidung des Ministeriums, sei es im Falle einer für Dr. Buchner ungünstigen Entscheidung des Ministerium [sic].
Der ersten Möglichkeit sucht das Ministerium vorzubeugen: Es erbittet eine baldigste kirchl.  Stellungnahme und wird, wenn eine solche nicht vor dem 1. Okt. lfd. Js. eintrifft, wohl das stillschweigende Einverständnis des Hl. Stuhles mit seiner Auffassung annehmen können, daß gegen den genannten Gelehrten vom kath. kirchl. Standpunkt aus stichhaltige Erinnerungen nicht zu erheben sind. Was die zweite Möglichkeit anlangt, so hat das Ministerium die feste Überzeugung, daß es gegen Dr. Buchner erweisliche Tatsachen usw., die im Sinne des Art- 4 §  2 staatlicherseits als Hindernis für seine Ernennung gewertet werden müsste, bei der Beantwortung einer Interpellation im Landtage nicht anführen könnte. Das Ministerium könnte sich aber auch bei der eingangs dargestellten Rechtslage nicht etwa auf die Erklärung beschränken, der Diözesanbischof habe gegen den staatlicherseits in Aussicht genommenen Kandidaten "Erinnerungen erhoben". Über die Fälle des Art. 4 § 2 muß der Minister sich selbst eine Auffassung und selbst ein Urteil bilden und seine Stellungnahme vor dem Landtage verantworten. Will der kirchliche Vertragsteil, daß seinen gutachtlichen
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Erinnerungen hierbei Rechnung getragen wird, dann muß er dafür sorgen, daß seine Diözesanbischöfe sich nicht darauf beschränken, in den Fällen des Art. 4 § 2 nur "Erinnerungen zu erheben", sondern vereinbarungsgemäß sich gutachtlich äussern und zwar sogenügend ausführlich, daß ihre Ausführung staatlicherseits nachgeprüft und auf ihre Stichhaltigkeit gewertet und das veranlaßtenfalls auch dem Landtage diese kirchliche Auffassung bekannt gegeben werden kann.
Wenn der Hl. Stuhl von einer anderen kirchl. StelleSeite sich ein verlässiges und treffendes Urteil erholen soll will, dann wird er am zweckmässigsten den Vorgänger des gegenwärtigen Apostolischen Nuntius in München einvernehmen.
Vermutlich werden die Parteifreunde des Dr. Buchner in der Lage sein, angesehenste Persönlichkeiten des kath. Priester-und Laienstandes für die einwandfreie Katholizität dieses Gelehrten zu benennen, auf seine notorisch kirchentreue wissenschaftliche, politische, schriftstellerische und erzieherische Tätigkeit zu verweisen, sein Eintreten für die Belange der kath. Kirche im allgemeinen, besonders auch seine werbende Tätigkeit in den eigenen Reihen der Deutschnationalen Volkspartei und darüber hinaus für das Konkordat geltend zu machen und sich endlich auch noch darauf zu berufen, daß dem Dr. Buchner für diese seine kirchentreue Betätigung von Seite des früheren Apostol.  Nuntius in München, Exz. Dr. Eugen Pacelli, der seine politische Zugehörigkeit dieser Partei zur Deutschnationalen Volkspartei und seine Stellung innerhalb dieser Partei genau gekannt und gewürdigt habe, wiederholt mündliche und schriftliche Anerkennung ausgesprochen worden seien.
Schließlich möchte dem Hl. Stuhl auch zur Erwägung gegeben werden, ob ihm eine solche Konkordatsdebatte im Bayrischen Landtag und in der Deutschen Presse für den Fortgang der Verhandlungen über sein Konkordat mit Preussen und über sein Reichskonkordat förderlich erscheint.
Das Staatsministerium des Äussern ersuche ich, die Bayrische Gesandtschaft beim Hl. Stuhle mit der weitern Vertretung dieser einer beschleunigten Erledigung bedürfenden Angelegenheit zu beauftragen. Um gefällige Zuleitung eines Abdruckes der ergangenen Entschließung darf gebeten werden.
I.V.
gez. Korn
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2Absatz von "Diese Vereinbarung" bis "begründete und" hds. von unbekannter Hand mit schwarzer Farbe markiert.
3Zeile von "seiner Kenntnis" bis "Zweifel" hds. von unbekannter Hand mit schwarzer Farbe markiert.
Empfohlene Zitierweise
Korn, Jakob Karl an Bayerisches Staatsministerium des Äußern vom 23. Mai 1926, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 17974, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/17974. Letzter Zugriff am: 10.12.2024.
Online seit 29.01.2018.