Kapp-Lüttwitz-Putsch vom 13. März 1920
Die Reichsregierung rief am 13. März den Generalstreik aus und richtete am folgenden Tag einen Aufruf "An das deutsche Volk!", in dem sie die Bevölkerung dazu anhielt, nur ihren Anweisungen zu folgen. Dieser Aufruf wurde von der Berliner Ministerialbürokratie, der Reichsbank und der Reichshauptkasse befolgt. Auch die meisten Unternehmer versagten den Putschisten wegen wirtschaftlicher Bedenken die Gefolgschaft. Die Sozialdemokraten (SPD), die Deutschen Demokraten (DDP) und die Zentrumspartei lehnten den Staatsstreich eindeutig ab. Die Deutsche Volkspartei (DVP) hingegen versuchte zu vermitteln. Obwohl einzelne Landesverbände der Deutschnationalen in den Putsch verwickelt waren, verhielt sich die Führung der DNVP distanziert.
Als der Generalstreik am 15. März anlief, war der Staatsstreich endgültig gescheitert. Am 17. März gaben Kapp, Lüttwitz und ihre Mitstreiter auf. Die meisten Putschisten konnten fliehen oder wurden später begnadigt. Kapp selbst kehrte 1922 aus dem Exil zurück und verstarb noch vor Eröffnung des Verfahrens in Untersuchungshaft.
Der Generalstreik wurde bis zum 22. März fortgesetzt, um weitergehende Forderungen durchzusetzen. Es kam zu Unruhen in Sachsen und Thüringen. Im Ruhrgebiet, das in Folge des Versailler Vertrages von deutschem Militär geräumt war, erhob sich die "Rote Ruhrarmee". Diese wurde Anfang April von Reichswehr und Freikorps niedergeschlagen. In Bayern nutzten konservative Kräfte die Wirren dieser Tage, um die Regierung des Sozialdemokraten Johannes Hoffmann zu stürzen. Neuer Ministerpräsident wurde der parteilose Beamte Gustav von Kahr, dessen Koalitionsregierung aus DDP, Bauernbund (BBB) und Bayerischer Volkspartei (BVP) von der BVP dominiert wurde.
Analyse
Pacelli befand sich ab dem 12. Februar zur Vorbereitung der Konkordatsverhandlungen in Rom (Dokument Nr. 6664) und kehrte in der Nacht zum 12. April 1920 nach München zurück (Dokument Nr. 6779), weshalb der Auditor der Münchener Nuntiatur Schioppa über die Ereignisse des Kapp-Lüttwitz-Putsches berichtete. Dieser informierte den Heiligen Stuhl bereits am 13. März telegraphisch über den Putschversuch in Berlin (Dokument Nr. 2397). Er bezweifelte am 14. März, dass sich die Regierung Ebert würde durchsetzen können, und befürchtete, dass der Generalstreik zu Bolschewismus und Kommunismus degenerieren könnte (Dokument Nr. 2398, ähnlich Dokument Nr. 4049). Schioppa konnte nicht genau einschätzen, welche politischen Ziele die sogenannte Reaktion verfolgte, da Kapp sowohl die Restauration der Monarchie als auch eine Militärdiktatur ausgeschlossen habe. Dennoch ging er davon aus, dass dies die wahren Absichten Kapps gewesen seien, die er derzeit noch verschleiern wolle (Dokument Nr. 2699). Schioppa brachte nach dem Zusammenbruch des Putschs in Erfahrung, dass dieser eigentlich erst im Mai hätte losgetreten werden sollen und sah in dem verfrühten Beginn und der mangelnden Vorbereitung die Ursache für das Scheitern (Dokument Nr. 2698). In der einschlägigen Forschungsliteratur wird übereinstimmend auf die mangelnde Vorbereitung des Putschs hingewiesen. Über einen festen Zeitplan verfügte Kapp allerdings nicht, obwohl er im Februar und März 1920 davon überzeugt war, dass der Staatsstreich wegen der zunehmenden Stabilisierung der Republik möglichst zeitnah durchgeführt werden müsse.Sollte sich die Regierung Ebert durchsetzen, sollte nach Schioppas Auffassung versucht werden, aus der loyalen Haltung der Zentrumspartei zur Reichsregierung Kapital für die zukünftigen Verhandlungen über das Verhältnis von Kirche und Staat und vor allem in der Schulfrage zu schlagen (Dokument Nr. 2698). Der Auditor begrüßte den Sturz der SPD-geführten Regierung Johannes Hoffmann in Bayern als Folge des Kapp-Lüttwitz-Putschs und bewertete die anschließende die Bildung des Kabinetts Gustav Ritter von Kahr als positiv (Dokument Nr. 4048).
Schioppa fand trotz der schwierigen Situation auch positive Aspekte, die aus dem Kapp-Lüttwitz-Putsch hervor gingen. Zum einen habe Deutschland der Entente durch das Niederschlagen des Putsches bewiesen, dass sich der preußische Militarismus derzeit nicht durchsetzen könne. Zum anderen hätten die kommunistischen Aufstände im Rahmen des Putschs gezeigt, dass der Bolschewismus keine Erfindung der Regierung sei, um die Durchsetzung des Versailler Vertrags zu boykottieren, sondern tragische Realität. Schioppa warnte davor, dass der Kommunismus auch die Entente treffen könne, wenn sie ihn in Deutschland nicht mit starker Hand bekämpfe (Dokument Nr. 4049).
Kardinalstaatssekretär Gasparri beschränkte sich darauf, den Empfang der einschlägigen Berichte zu bestätigen (Dokument Nr. 5582) und wünschte sich, dass sich das vom Krieg geschwächte Deutschland nun auf den Weg zu einer dauerhaften und friedvollen Ordnung mache (Dokument Nr. 6646).
Quellen
Aufruf der Reichsregierung "An das deutsche Volk!" vom 14. März 1920, in: ERDMANN,
Karl Dietrich u. a. (Hg.), Akten der Reichkanzlei. Weimarer Republik, Bd. 2: Das Kabinett
Bauer, Teilbd. 1: Dokumente, bearb. von Anton GOLECKI, Boppard am Rhein 1980, in Akten
der Reichskanzlei. Weimarer Republik online.:www.bundesarchiv.de (Letzter Zugriff am: 10.05.2013).
Literatur
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik. 1918-1933, in: BENZ, Wolfgang (Hg.),
Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert (1918-2000),
Stuttgart 2010, S. 171-767, hier 366-373.
ERGER, Johannes, Der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1919/20
(Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 35), Düsseldorf
1967.
HÜRTEN, Heinz, Revolution und Zeit der Weimarer Republik, in: SCHMID, Alois (Hg.),
Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart,
Teilbd. 1: Staat und Politik, München 22003, S. 439-498, hier
472-474.
KOLB, Eberhard, Die Weimarer Republik (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 16), München
72009, S. 40-43.
THOSS Bruno, Kapp-Lüttwitz-Putsch, 1920, in: Historisches Lexikon Bayerns, in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 25.11.2013)